Die Sache mit den Socken

Socken mit Keith Haring Motiv

Täglich frische Socken – das ist nicht nur eine Frage der Vernunft, des gepflegten Auftretens oder des Geruchs. Das ist mehr: Eine Selbstverständlichkeit.
Wer wie ich das Privileg hat, 90% der langbehosten Zeit mit Jeans herumlaufen zu können, muss bei der Wahl der richtigen Strümpfe nicht zwingend besonders penibel sein; Tennissocken mal ausgenommen, das ist so 80er. Nach Jogginghosen ist das der der zweite Hinweis auf kompletten Kontrollverlust, wenn sich einer damit im Straßenbild sehen lässt. Zeitzeugen schüttelt es mit Grauen und plötzlich ist wieder Erinnerung da, dass es in den 80ern zwei kolossale Unsitten der Männerbekleidung gab: Das pastellfarbene Sweatshirt in (!) den Hosenbund zu stecken und, was noch schlimmer ist und etwas später kam: Den Hosenbeinabschluss, den Saum in die Socken. GRAU-EN-HAFT! Warum tut man(n) sowas?
Bei Jeans ist die farbliche Abstimmung der Socken anders als bei einer Anzughose eher selten mein Problem. Hellbraune Socken zu dunkelblauer Anzughose geht natürlich gar nicht – was für mich nicht nur deshalb ein Geht-Nicht ist, weil es dem gepflegten Äußeren komplett zuwider läuft. Es ist auch deshalb ein Geht-Nicht, weil ich gar keine hellbraune Socken besitze. Diese Farbe findet in meinem Kleiderschrank einfach nicht statt. Bei gar nichts!

Zur Jeans aber kombiniere ich mutwillig Socken in blau oder grau in diversen helleren oder dunkleren Tönen, manchmal muss es auch Farbe sein. Der Mut zu bemusterten Socken ist allerdings auch eine Errungenschaft der späten 80er oder frühen 90er – eine Folge des Sockenerwerbs in Großbritannien, namentlich in der Kette Sock Shop, die dem englischen Geschmack, bisweilen etwas sehr Schrilles zu tragen durchaus entgegenkam. Und damit meinem. Lange bevor hier Herrnsocken Mut zur Farbe zeigten und damit fast schon avantgardistisch füllten reichlich bunte britische Comcisocken meine Schublade bzw. Schuhe, wenn denn meine Füße darin steckten.

Bunte Socken

Die ersten richtig witzigen, bunten und popartigen Socken, die hierzulande erhältlich waren, kosteten mich ein kleines Vermögen, aber das musste sein. Um so mehr wurde jedes Loch ein Desaster, denn auf das im Strumpf folgte durch Neubeschaffung ein weiteres im Geldbeutel. Denn ein Paar kostete oft mehr als ein Fünferpack eifarbiger Socken im Kaufhof. Solche Socken: Das war seinerzeit schon gewagt, arg dandyhaft, extravagant… und vielleicht eine Spur unmännlich. Noch in den 90er Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts gefiel sich die Union, das Thema zum Wahlkampfinhalt zu machen und pöbelte bar jedglichen Niveaus unter Generalekretär Peter Hintze 1994 von Plakaten herunter: „Auf in die Zukunft… aber nicht in roten Socken!“ vor allem gegen die PDS.

Bunte Socken mit Bildchen kaufe ich heute eher seltener, aber richtig „too old for that shit“, werde ich offenbar nie und so wanderten unlängst mal wieder mehrere preisreduzierte Dreierpacks ebensolcher Textilien in meinen Besitz.
Frisch und bunt mit Pop Art am Fuß bekleidet, hochkonzentriert am Rechner sitzend bemerkte ich erst gar nicht eine Kollegin, die meine unter dem Tisch geparkten Füße begutachtete. Darauf dann schließlich angesprochen, bemerkte sie, dass ihr gerade die leuchtend rot gestreifen Socken mit dem lustigen gelben Männchen aufgefallen sein. „Keith Haring!“.
Was ich bestätigte und mich als Fan von Kultkünstler Keith Haring outete, der 1990 viel zu früh und zu jung im Alter von nur 31 Jahren an Aids starb.
„Ja, meine Eltern sind auch ganz begeistert von Haring – noch immer! Wann war der Hype um Haring noch mal?“
Ich grüble: „Ganz sicher in den 80ern, dann in den 90ern und ein kleines Revival vor einigen Jahren!“
„Aber der ganz große Hype, der ist schon lange her, oder? Wie gesagt… meine Eltern…“

Socken mit Keith Haring Schriftzug

Das muss dieses „Alt sein“ sein, was mich immer häufiger anspringt: So alt wie die Eltern vieler Kolleg:innen zu sein.
Wer Socken mit Bildchen von Keith Haring trägt, gehört also zum alten Eisen, wie letztlich Pop Art überhaupt. Ein Grund zu hadern ist das allerdings nich. Noch gehöre ich nicht zum ganz alten Schrott, denn erst ab 70 wird dann auf beige oder hellbraun gewechselt. Dann aber konsequent, inklusive Hemd und Hose, Windpocken Schiebermütze.
Noch aber lässt man mich Haring-Sockrn trsgen. Ein wenig Zeit für bunt bleibt mir noch…


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3 Antworten

  1. Nati sagt:

    Die farbigen Socken sollten aber zumindest zum Oberteil passen, so halte ich es. 😁

  2. Naya sagt:

    Ich habe vor ein paar Jahren einen Sockenhersteller entdeckt, wo jedes Paar zwar an beiden Füßen dasselbe Thema hat, aber sie unterschiedlich aussehen – meine Füße sind also nicht nur bunt, sondern auch unterschiedlich bekleidet, und ich liebe es! 😀
    Aber ja, wie Nati gucke ich auch oft, dass es zu irgendwas anderem von der Kleidung (Werkzeug und Zahnräder zu Pink Floyds Welcome to the Machine) oder zum Anlass (Noten und Notenschlüssel bei einem Konzert) passt 🙂

  3. Anita sagt:

    Ich hatte auch immer die passenden Socken zu den Oberteilen oder dann gleich mutig farbig. Ein Freund fragte mich mal, was ich zuerst kaufe: das Oberteil oder die Socken.
    Meine Tochter hat mir bestimmt 10 Jahre verboten neue Socken zu kaufen. So hat sich die Sache nun endlich relativiert. Ach ne, ich hab letzte Woche tatsächlich Socken in Beige/Brauntönen und schwarze Socken gekauft. Bin gespannt, ob ich die mal trage. Im Sommer brauche ich keine Socken und im Winter liebe ich meine Wollsocken.

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