Von Eulen, Medien und Knipswütigen

Dieser Beitrag ist Teil kleinen Serie über Nachhaltigkeit und Verantwortlichkeit beim Bloggen.

Eulen, so könnte man sagen, waren immer schon, ein Symboltier für Weisheit. Vielleicht ziehen sie deshalb besonders viele Trottel an, denn die Weisen bedürfen ihrer ja weitaus weniger als die, denen es an selbiger fehlt.

Manchmal aber frage ich mich, ob die Eule selbst ein weises Tier ist, wie es in Fabeln, Märchen und Kinderbüchern gern erzählt wird. Zumindest das gute Dutzend Waldohreulen, das sich den Winter über in einer Lärche in einem Dorf im Münchner Speckgürtel niedergelassen hatte, muss sich diese Frage gefallen lassen. Tagsüber hockten die mächtigen Vögel inmitten des Ortes im Baum und dösten der Dämmerung entgegen.
Ihre große Zahl weckte die Neugierde. Und so war es kein Wunder, das alsbald die hiesigen Medien aufmerksam wurden – das kostenlose Anzeigenblättchen, die lokale Tageszeitung und sogar TV-Sender machten die Federviecher zum Thema. Warum auch nicht?
Es gab ja nicht viel Spannendes in der Provinz zu berichten – außer eben, dass Eulen in einem Baum mitten in einem Dorf hocken.
Dumm nur, dass immer und überall genannt wurde, wie dieses Dorf heißt. Und wo der Baum dort steht, war anhand des TV-Berichts einfach herauszufinden. Später bedurfte es dem gar nicht mehr. Einfach vor Ort schauen, wo die Leute mit den Kameras und Ferngläsern stehen. In mal größeren mal kleineren Gruppen standen sie vor dem Gehölz, starrten nach oben auf die schlafenden Eulen und fotografierten die Speicherkarten voll. Denn nach den Medienvertretern kamen umgehend die Social Media Vertreter, die Fotoblogger, Instagramer, Twitterer und Facebookler. Ich und die Eulen. Wenn das nicht eine Statusmeldung wert ist.

Nun haben Lärchen ein für Fotografen eher störend dichtes Geäst und das Federkleid der Eulen gibt eine gute Tarnung ab. Wenn man sie also nicht unbedingt so fotografieren kann, wie man es vielleicht gerne möchte, und schon gar nicht, wenn man nicht ein einigermaßen gutes Tele auf der Kamera hat, dann stapft man eben auf der Straße oder auf anderer Leute Grundstücken herum. Es geht schließlich um Credibility in den Sozialen Medien. Da kann man nicht mit einem Schrottfoto aufwarten.
Und wenn die Knipser erst mal Witterung aufgenommen und ihre Bilder ins Netz gestellt haben, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis weitere sich auf den Weg machen. Die übliche Kettenreaktion.

Nun ist es eine ganz andere Sache, ob ich zum Beispiel im Nymphenburger Schlosspark oder am Riemer See auf Fotosafari gehe oder im Zoo Tiere fotografiere, zum Beispiel Eulen…

Das stört in der Regel niemanden: Den oder die Vögel nicht und auch keine anderen Menschen.

Was anderes ist es, wenn man im Pulk in ein kleines Dorf einfält und sich in dichter Traube vor einen Baum aufstellt, sich für ein gutes Foto sogar mitten auf die Straße stellt, bis einen ein genervter Linienbusfahrer anhupt, dass man gefälligst zur Seite gehen soll, damit er vorbeikommt.

Ja, ich war auch bei den Eulen und zeige hier meine Bilder. Grenzt es dann nicht an Doppelmoral, darüber zu schreiben, sogar Bilder zu zeigen, aber mich gleichzeitig zu mokieren, dass Andere genau das gleiche gemacht haben?

Ich finde nicht. Während ich bei Bildern, die am Riemer See oder Kronthaler Weiher entstanden, durchaus erzähle, wo ich war, weil es allgemein bekannt und erkennbar ist und niemanden stört, halte ich mich hier zurück. Es ist meines Erachtens eine vollkommen andere Situation, einen Hot Spot aufzusuchen, um dann meinen Teil dazu beizutragen, dass ein Run ausgelöst wird oder einfach die Ortsangabe wegzulassen.

Und noch etwas ist anders. Ich habe mit der Veröffentlichung dieses Beitrags gewartet, bis die Eulen in ihr Sommerquartier abgeflogen sind. Bemühen Sie sich also gar nicht noch zu ergründen, wo man sie beobachten könnte. Sie sind weg. Ist das fair? Ja.

Anfang des Jahres habe ich unter einem Blogbeitrag einer Münchner Bloggerin, die freimütig darüber schrieb und Bilder zeigte, die Frage gestellt, ob es notwendig gewesen wäre, die exakte Ortsangabe zu veröffentlichen und dass ich es für keine so gute Idee halte. Das hätte ich mir auch sparen können. Einsicht: Null. Statt dessen die Ermunterung anderer Kommentatoren, auch mal hinzufahren. Nun gut, Sensibilität in solchen Fragen ist eben nicht jedem gegeben.

Ob den Eulen der ganze Zinnober egal ist, kann ich nicht wirklich ermessen. Und die Anwohner? Im Slalom kurvten sie um die Hobbyfotografen auf der Straße, ja, ich habe es vor Ort so gesehen.
Gut auszumachen waren im Winter auch die Fußspuren derer im Schnee, die das Privatgrundstück, auf dem der Baum steht, betraten und dort auf der Suche nach der besten Perspektive umher schlichen. Das tat die besagte Bloggerin, die davon schrieb und damit ihre Leser munter zum Nachmachen animierte, übrigens auch. So nach der Devise: Ich bin ja nicht dafür verantwortlich, was meine Leser später nachmachen und was nicht.
Doch! Ist sie! Zumindest zum Teil!

Ja ich weiß: Die allermeisten Eulentouristen blieben auf öffentlichem Grund und respektierten die improvisierte Absperrung des Grundstücks, anderen war das offenbar schnutzpiepegal. Wenigstens rückten die meisten Schaulustigen schnell wieder ab. So spektakulär war es dann auch wieder nicht, die Vögel lange Zeit zu beobachten. Denn sie bewegten sich kaum.
Und jetzt sind sie weg.

Aber wenn Eulen wirklich so weise sind, dann sollten sie sich nächstes Jahr einen Baum irgendwo an einem ruhigeren Ort suchen und es niemandem erzählen.
Vielleicht könnte man im Dorf im nächsten Winter die Waldohreulen dann durch Plüschattrappen ersetzen, einen Glühweinstand aufstellen und Leberkässemmeln verkaufen. Merkt doch eh keiner, was da im Baum hockt.

Und die Anwohner hätten auch was davon.


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