Das Geheimnis der perfekten Marillenmarmelade – Teil 2

Wie alles begann – lesen Sie hier Teil 1

5. Der Zucker

Während die Gläser erst geholt werden müssen, richte ich den Zucker frühzeitig her, was bedeutet, dass er in Reichweite platziert wird. Denn im Finale furioso kann ich nichts weniger gebrauchen als die Suche nach Zucker, der womöglich noch gar nicht gekauft wurde.
Grundsätzlich verwende ich nur Gelierzucker von Dr. Oetker. Erstens ist Dr. Oetker seit Generation die Marke des Vertrauens in unserer Familie (Westfalen unter sich halt). Zweitens kommt Dr. Oetker aus Bielefeld. Das ist von zentraler Bedeutung. Da es Bielefeld eigentlich gar nicht gibt, was sogar Wikipedia einen Eintrag wert ist, existiert auch dieser Zucker nicht im realen Leben. Auch er ist Teil einer großen Verschwörung – und diese haben bekanntlich eine unglaublich gelierende Wirkung auf die Menschheit, ohne zugleich zu süß zu schmecken.marille-07

6. Cortisol-Schub

Am besten gelingt Marillenmarmelade, wenn sie mit einer ordentlichen Cortisol-Ausschüttung einher geht. Ich bediene mich daher unter dem Kochen dieses Geräts, das ich normalerweise aus gewissen Gründen selten anrühre.marille-04

Beim Marmeladekochen aber ist es unabdingbar. So achte ich darauf, wenn ich mit dem Sack voller Marmeladengläser (s. Teil 1) vom Speicher komme und gleichzeitig Scotty volle Energie unterm Topf macht, dass dieses Gerät aktiv den Arbeitsablauf unterbricht. Ideal sind Callcenter-Mitarbeiter, die einem – so wie bei der diesjährigen Marmeladenherstellung geschehen – aus dem Düsseldorfischen anrufen, um mir einen kostenlosen Stromtarif-Check anzubieten. Normalerweise gehe ich bei mir unbekannten Nummern schon gar nicht mehr ans Telefon, aber hier muss das sein.
Wann ruft mich schon mal wer aus Düsseldorf an? Weihnachten ist öfter.
Während also die geschulte Verkäuferin mir Sparpotential ohne Ende verspricht und ein simples „Nein, kein Interesse!“ nicht akzeptiert, lässt Scotty das erste Mal die Marmelade schäumen. Das heißt:
Jetzt muss es schnell gehen.
1. Stresshormone ausschütten
2. Sack mit den Gläsern auf den Tisch stellen
3. Topf vom Herd ziehen
4. Scotty die Anweisung geben, die Energiezufuhr zu drosseln
5. der Callcenter-Tante das Wort abschneiden.

Und zwar möglichst alles gleichzeitig. Letzteres ist das Schwierigste und verbleibt daher in der To-Do-Liste ganz unten.
Bekanntlich neigen in einen Sack gestopfte Gläser dazu, diesem nicht gerade eine stabile Struktur zu geben, so dass der Sack umkippt und die Gläser rausrollen. Hat man alles richtig gemacht, dann nehmen sie den kurzen Weg über den Esstisch und stürzen sich hernach lemmingartig in die Tiefe – wo sie zerschellen. Wohl dem, der robuste Fliesen hat.

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Jetzt endlich hat der Körper genug Stresshormone ausgeschüttet. Jetzt erst darf man der Callcenter-Mitarbeiterin, die pausenlos geredet ohne dass man ihr zugehört hat, sagen, dass man das Telefonat mangels Bedarf nun beenden wird.
Während sich anschließend die Marmelade langsam im Topf dem Status der Verdickung nähert, muss man in Windeseile den Scherbenhaufen beseitigen.
Hernach kann man die Marmelade noch einmal kurz aufkochen und dabei feststellen, dass man am Rezept vorbei auf 2 Kilo Früchte nicht 2 sondern 3 Kilo Zucker beigemengt hat, was die Fastspeed-Aushärtung erklärt.
Die Schuld für diesen Fehler schiebt man der Energieberaterin zu.
Als letztes muss man das Ganze in die noch verbleibenden Gläser füllen. Noch während man die Spülmaschine startet, den Staubsauger hervorholt, um die letzten Mikroscherben von den zarten Fußsohlen der Daheim-Gern-Mal-Barfußlaufenden fernzuhalten, verhärtet sich die Marmelade auf Blockschokoladen-Konsitenz. Das Ganze geht dreimal schneller als Moltofil abbindet.

Probieren Sie es aus. Aber decken Sie bitte zum Frühstück Hammer und Meißel mit auf. Sie werden es vermutlich brauchen.
Besser kann man Marmelade nicht hinbekommen…marille-06


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10 Antworten

  1. Günter sagt:

    Korrekte Mengenverhältnisse sind für Weicheier!

  2. Humor ist, wenn man trotzdem – auch mit fehlendem Zahn – lacht! ?

  3. Frau Körb sagt:

    Bei einem ähnlich präparierten Zwetschgenmus habe ich einfach den Kochlöffel drin stecken lassen und es gab nach der Blitzeisstarre den größten Dauerlutscher, den die Etage je gesehen hatte. Nachbars Kinder haben für eine ganze Woche ihre Schnäbel gehalten…
    Aber bitte mehr aus Ihrer Küche, das beruhigt mich so schön!

  4. Ulrike sagt:

    Großartig! Ich wische mir gerade die Tränen aus dem Gesicht.

  5. Genauso geht Marmeladekochen!

    Aber warum ist eigentlich Fett in dem nicht-existenten Gelierzucker? Ich frage mich das jedes mal, wenn ich welchen kaufe, stehe inhaltsangabenlesend drei Stunden zwischen den Regalen und kaufe dann schließlich den einzigen Gelierzucker ohne Fett. Nicht weil da so viel Fett drin wäre, aber weil ich nicht verstehe, wozu es gut sein soll, und es mir deswegen so überflüssig vorkommt.

    • Lutz Prauser sagt:

      Gelierzucker besteht aus Kristallzucker (Saccharose), der zumindest teilweise mit Pektin überzogen sein sollte, und Genusssäuren (meist Zitronensäure). Das Geliermittel Pektin stammt aus Äpfeln oder Zitrusfrüchten. Pflanzenfett dient als Hilfsmittel, um eine möglichst gleichmäßige Verteilung des Pektins auf der Oberfläche der Zuckerkristalle und damit eine gleichmäßige Gelierkraft zu gewährleisten. Es wird gehärtet, weil es sonst zu flüssig wäre. Dabei entstehen die gesundheitlich problematischen Trans-Fettsäuren. Die mit Gelierzucker aufgenommenen Mengen an Fett und Trans-Fettsäuren sind aber vernachlässigbar.

  6. Das warten auf Teil zwei hat sich gelohnt. Selten so gelacht!

    • Lutz Prauser sagt:

      Vielen Dank. Sollte ich wieder das Familiengeheimnis eines perfekten Gerichts ausprobieren, wird man davon lesen. Oder ich sollte doch Foodblogger werden. Das würde aber bedeuten, dass ich erwarten kann, ernst genommen zu werden. Und genau da liegt das Problem :)

  7. Karin sagt:

    Gehört zwar nicht hierher, aber beim Buch fehlt bei der ISBNnummer die 9 vorne !

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