Ragnarök in Rosenheim – Ein Hoch auf die Bildungsbürger

Lang lebe der Bildungsbüger!

Oder meinen Sie, es gebe irgendetwas Horizonterweiternderes als das bildungsbeflissene Bürgertum mit seiner fortgesetzten Selbstverpflichtung zur Wissensweitergabe?
Ist es nicht ein ausgesprochenes Privileg, solchen Menschen gelegentlich begegnen und Anteil daran nehmen zu dürfen, wenn sie ihr profundes Wissen unter uns tumbem Volk wie Brosamen ausstreuen?

Darum schnecke ich mich mit großer Hingabe an bildungsangereicherte Privatdozenten heran, wann immer ich diese in Museen, Ausstellungen oder Zoos treffe; eben überall dort, wo Sachen oder rechtlich Sachen gleichgestellte Tiere ausgestellt werden und der Besucher beim Flanieren sein Wissen mehren und seinen Horizont erweitern kann. Und ich steh dann da und lausche.Bildungsbürger
Ich folge diesem versierten Weltwissen auf Schritt und Tritt durch das Museum, denn die Vorteile für mich sind unschätzbar:

Nirgends muss ich erklärende Infotafeln lesen, denn der Bildungsbürger nimmt mir die Arbeit ab, in dem er diese Tafeln laut vernehmlich für das ihn umgebende Rudel vorliest. Dabei ergänzt er die Inhalte der Tafel um eigenes, zumeist ganz besonderes Wissen, kommentiert die Texte, weist auf Fehler oder Auslassungen auf den Tafeln hin, gibt Querverweise zu allerlei abseitigen Fachgebieten und macht auch sonst keinen Hehl daraus, dass er der einzig wahre Experte für dieses Thema ist. Eigentlich unverständlich, warum nicht er die Ausstellung kuratiert hat. Aber er war wohl zu beschäftigt und zu stolz, sich dem Museum anzudienen, als man ihn nicht gefragt hat.
Diesen Menschen zuzuhören, spart mir zudem einiges an Kosten, die ich sonst für einen VHS-Kurs investieren müsste, bei dem der Bildungsbürger gerade erst sein Wissen aufgefrischt und für alle reproduzierbar aufbereitet hat. Und genau das macht er jetzt. VHS-Kenntnisse repetieren.
Hier paaren sich Klugscheißertum und Besserwisserei auf die wohl schönste Art und Weise.

Kommt es – was selten der Fall ist – dazu, dass der Bildungsbürger zu einem Thema weniger weiß als ich, ist das Lauschen seiner Vorträge bisweilen erst recht amüsant. Unglaublich viel Unfug zum Beispiel erzählen Papas in Zoos ihren Sprösslingen der F1-Generation. Sie schwadronieren über vermeintlich giftige Frösche, deren Gift 20.000 Mäuse mit einem Schlag den Garaus macht, totbringende Piranhas, die in zwei Minuten eine ausgewachsene Kuh bei lebendigem Leib bis auf das Skelett abgefressen haben und die Abstammung des Menschen vom Primaten. Das tun sie, als wären sie Konrad Lorenz, Bernhard Grzimek, David Attenborough und Richard Dawkins in einer Person.
Wunderbar – da kann man sich die ganzen BBC Dokumentationen sparen.

In Museen und Ausstellungen ist es nicht besser. Man muss sich nur mal neben diese Bescheidwisser stellen und lauschen.
Dozieren Papas erst auf Nachfrage, machen die Klugmenschen das auch ungefragt: Der pensionierte Studienrat (Spezialgebiet: napoleonische Kriege), Staatsanwalt (Spezialgebiet: Antikes Rom, vor allem die Rechtsprechung), Buchhändler (Spezialgebiet: Mittelalterliche Burganlagen am Mittelrhein), Stadtbaurat (Spezialgebiet: Architektur von Semper bis Gaudi), Polizeihauptkommissar (Spezialgebiet: Die Schäreninseln als Segelrevier) und der Chefarzt (Spezialgebiet: indogene Stämme in den USA) reden einfach drauf los. Und bestimmt weiß der pensionierte Apotheker und Wagner-Liebhaber alles über die Wikinger.

Natürlich weiß er das. Nur ich habe keine Ahnung über dieses Volk aus dem Norden, mal abgesehen von den Kenntnissen aus einem Hochschulseminar über die Mythologie der Germanenstämme während meines Studiums vor einer halben Ewigkeit. Seitdem sind mir zumindest Yggdrasil, Asen und Wanen, Ragnarök, Fenriswolf und Midgardschlange ein Begriff. Und wenn’s tatsächlich mal eng wird, muss ich halt in Snorri Sturlusons Edda oder den Nordischen Götter- und Heldensagen nachlesen. Das bringt sicher mehr als das, was man durch Marvel-Comics und -filme über Thor und Co in Erfahrungen bringen kann.

Zur Schließung weitreichender Bildungslücken besuchen wir die völkerkundliche Wikinger-Ausstellung im Rosenheimer Lokschuppen. Horizonterweiterung hat noch nie geschadet.
In Rosenheim klärt man die Besucher über die Wikinger auf und belehrt uns zum Beispiel darüber, dass die wenigsten von ihnen auf Beutezüge gingen, dass sie fast nie Helme trugen (nicht mal aufgeblasene) sondern Lederkappen und die wenigen metallenen Helme sowieso keine Hörner hatten. Auf die Horn-Schnapsidee erst kam der Bühnenausstatter der Wagner’schen Opern in Bayreuth im 19. Jahrhundert. Das aber war stilbildend.
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Und damit sind wir schon mittendrin im Halbwissen, mit denen sich die Besucher durch die Ausstellung bewegen und von selbiger zehren.
Was wird dort von den Besuchern nicht alles über Wikinger erzählt und doziert?
Ich lausche beseelt. Ein älterer Mann, scheinbar ein ausgewiesener Tretboot-Skipper, erklärt seiner Gattin, was Segeln vor dem Wind, Halbwind und hart am Wind ist. Das müsste er nicht, ein kleines animiertes Filmchen zeigt das in der Ausstellung. Sie nickt beflissen ob dieses immensen verborgenen Wissens ihres Mannes. Bisher wusste sie gar nicht, dass es ein direkter Nachfahr von Leif Eriksson ist, der zwar nicht das Telefon gleichen Namens erfunden aber zumindest die Überfahrt nach Amerika gefunden hat. „Ha ha, ha“, poltert der scherzende Möchtegern-Hägar, um später zu erfahren, dass Harald Blauzahn („Bluetooth“)  der Namensgeber einer Technologie ist und das Bluetooth-Logo dazu tatsächlich die Runen-Initialen des lang verstorbenen Dänenkönigs darstellt. Na sowas…
Das sagt dem guten Mann aber nichts. Von Bluetooth hat er noch nie was gehört. Da mss er direkt mal seine Enkel fragen, ob sein Handy auch sowas hat…

Ein anderer Ausstellungsbesucher doziert über Kampfeskunst, zwei Frauen wundern sich, dass auch Wikingerinnen zum Schwert gegriffen haben. Eine diebstahlgesicherte Schwertreplik, die extra dazu ausgestellt ist, sie zu begrabschen, soll das Gewicht eines Wikingerschwerts (etwa 2 Kilogramm) buchstäblich begreifbar und erfahrbar machen. Die beiden Frauen nehmen das Schwert in die Hand, wiegen es prüfend und sind bass erstaunt. Zwei Kilo meinen sie, könne man ja kaum heben, geschweige denn schwingen.ausstellung2
Als wenn gusseiserne Bratpfannen leichter wären… Aber das ist eine andere Geschichte.
Pong!


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5 Antworten

  1. Smamap sagt:

    DAS bitte jetzt nicht zu ernst nehmen ….. es ist als Scherz gemeint …..

    Nachdem ich die erste Frage gelesen hatte, und zum einen meinte, dass sie grammatikalisch falsch formuliert ist, und zum anderen auch gar nicht verstand (auch nicht nach mehrmaligem Durchlesen), habe ich aufgegeben ;)
    Vielleicht ist meine Formulierung ja auch „Satire“ und fällt unter „Böhmermann“?
    Also nix für ungut ……

    • Lutz Prauser sagt:

      In der Tat, mein Bester. Da bin ich wohl über meine eigene Wortverschwurbelei gestolpert. Es fehlt das „er“, dass aus Horizonterweiterndes den Komperativ Horizonterweiternderes macht. Ich hab’s ergänzt. Danke für den Hinweis. Jetzt müsste es grammatikalisch stimmen, ob es dadurch verständlicher wird, entzieht sich meiner Kenntnis.

  2. Herrlich geschrieben. Ja, sie schreiten durch die Gegend und müssen alles, was man sich selbst aneignen kann nochmals bis ins Tiefste erklären. Da empfiehlt es sich unabhängig selbst zu vergiwissern ob das Gesagte den Tatsachen entspricht. „Hat ja die Mama/ der Papa gesagt…“ und man glaubt es unkritisch aus Bequemlichkeit.

  1. 30. August 2017

    […] generieren) zeigten die Walküren, was sie so drauf haben. Und das ist Gewaltiges, wie ich in der Wikinger-Ausstellung in Rosenheim bereits gelernt hatte. Und die Gäste zeigten, was sie nicht drauf haben: sich zum […]

  2. 10. Oktober 2017

    […] Kultur konsumiere. Was heißt: Ich gehe in Museen und Ausstellungen, schaue mir moderne Kunst und antike Artefakte an, lausche im Theater gelegentlich einer Oper und habe es damit immerhin bis auf den grünen […]

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